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Nada Yoga

„Wenn du Sinn und Ton auslöschst, was hörst du dann?“

Zen-Koan aus dem 11. Jahrhundert

 

Nada Yoga (नादयोग) ist der Yoga des Klanges. Nāda bedeutet "Klang, Ton und Schwingung" und Yoga „Vereinigung“. Es ist eine der ältesten Formen des Yoga. Diese dynamische Technik eignet sich, um Entspannung, Konzentration und Selbstwahrnehmung mit Hilfe von Mantras zu vertiefen.

 

Jeder weiß, welche Kraft Musik auf emotionaler und spiritueller Ebene haben kann. Ich denke da an „Love is all you need“. Dass Klang aber auch eine zerstörerische Kraft haben kann, zeigte der amerikanische Stimmtrainer Jaime Vendera 2005 im Discovery Channel, als er mit seiner Stimme ein Weinglas zum Zerspringen brachte.

 

Weltweit nutzen spirituelle und religiöse Strömungen, ob Christentum, Buddhismus, Sufismus oder Schamanismus, die befreiende Kraft der Klänge. Klänge als Weg zu veränderten Bewusstseinszuständen sind seit Jahrtausenden Teil des menschlichen Kulturerbes.

 

Im Nada Yoga geht es darum, diese Kraft für die Selbsterfahrung zu nutzen. Das Erzeugen von Nada kann emotionale Blockaden und einschränkende Zustände lösen. Es ermöglicht, die materielle Ebene des Alltags zu relativieren. Gleichzeitig kann es zentrieren und ein Weg zu Wohlbefinden, Gesundheit und Glück, manchmal auch zur Ekstase sein.

 

Die entsprechenden Mantren können unterschiedlich eingesetzt werden. Häufig werden sie in Verbindung mit der Konzentration auf die Chakren eingesetzt. Dabei kann ein Harmonium oder eine Trommel die Wirkung verstärken. Die Wahrnehmung wird in einen bestimmten Körperbereich gelenkt und durch das Chanten des Mantras in Schwingung versetzt, als wäre der Körper ein Musikinstrument.

 

Meist werden Bija-Mantras, einfache Grundmantras wie OM u. a. verwendet und in verschiedenen Tonhöhen gesungen. Der Schwerpunkt liegt auf der Wahrnehmung des Klangs und dem Rhythmus der Wiederholung. Sie ähneln in ihrer Anwendung den Tönen Do, Re, Mi, Fa, So, La, Si, Do des europäischen Tonsystems. Gleichzeitig wird die Haltung eines unbeteiligten Beobachters eingeübt, so dass eine bewusste Erweiterung der Wahrnehmung z. B. für verschiedene Empfindungen, Bilder und subtile Eindrücke stattfinden kann.

 

In der Bihar School of Yoga wird Wert auf einen einfachen Zugang gelegt, der die Wahrnehmung systematisch schult und das Erleben in den Vordergrund stellt. Der integrative Ansatz ist ein wesentlicher Bestandteil, so dass Nada Yoga in ein größeres Ganzes eingebettet ist.

 

Physiologisch gesehen werden Gehirn und Nervensystem durch die Vibrationen stimuliert. Dabei spielt die Lokalisation der Nervengeflechte wie Sakralplexus, Lumbalplexus, Solarplexus, Herzplexus, Halsplexus, Hypothalamus und Cortex eine wichtige Rolle. Durch Stimulation dieser Bereiche kann eine tiefere Entspannung erreicht werden. Eine erweiterte Wahrnehmung wird möglich.

 

Aus psychologischer Sicht können durch diese Techniken transzendente Prozesse angeregt werden. Unruhe, seelische Anspannung, Konzentrationsstörungen können sich lösen. Unbewusstes kann gehen gelassen und über Gefühle und Wahrnehmungen bewusst werden. Nicht selten werden diese als energetische Prozesse erlebt. Der unruhige Geist kann zur Ruhe kommen und der Weg zur Selbsterfahrung wird geebnet.

 

Um den Zugang zum Körper über Klänge und Bewusstsein zu öffnen, werden Asanas (Yogahaltungen) und Pranayama (Atemübungen) eingesetzt. Ein typischer Ablauf einer Nada-Yoga-Stunde aus dem Bihar-Yoga wäre: Asanas, um den Körper zu lockern und Blockaden zu lösen. Pranayama, um das Atemsystem zu vitalisieren und den Zugang zu einer feineren Verbindung zwischen Körper und Geist zu ermöglichen. Shavasana, die Entspannungsübung, um noch mehr bei sich selbst anzukommen. Danach folgt Nada Yoga und zum Abschluss Dhyana, die Meditation.

 

Ein beispielhafter Ablauf in Kürze:

  1. Asanas
  2. Pranayama
  3. Shavasana
  4. Nada Yoga
  5. Dhyana

Auf der höchsten Stufe ist Nada Yoga das Lauschen auf den inneren Klang. Dieser Klang wird auch Anahat „der unangeschlagene Klang“ genannt, da es sich um die Kontaktaufnahme mit der Ur-Erfahrung eines inneren Klanges handelt. Er wird OM genannt und manifestiert sich als Erfahrung des Aufgehens in diesem Klang. Er wird traditionell im Bereich des Herzens lokalisiert. Schon in der Mandukya Upanishad (ca. 5. Jh. v. Chr./1. Jh. n. Chr.) heißt es: „OM ist die Welt und alles darüber“.

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