Sumi-e 墨絵 (Tuschezeichnung): Masaaki Hatsumi "Vogel auf totem Ast", Privatbesitz
Auf dem Weg des Budō stößt man irgendwann auf den Begriff Bunbu Ryōdō. Bun 文 bedeutet "Künste", Bu 武 "Militär", Ryō 両 "beides" und Dō 道 "Weg", zusammen kann man sagen "Künste und Kriegskunst gehören beide zum Weg".
Dieser Weg ist verbunden mit den japanischen Künsten Shodō (Kalligraphie),
Kadō (Blumenstecken) oder Sadō (Teezeremonie). Geprägt vom Geist des Zen. Die Poesie nimmt einen wichtigen Platz ein. Sie zeigt sich in den klassischen Formen wie Haiku, Tanka oder Yojijukugo.
In der Budō-Überlieferung von Hatsumi-sensei
schrieb O-Soke Toda Shinryuken Masamitsu bereits am Neujahrstag 1891 im abschließenden Leitsatz seines Dōjō: "Bemühe dich, tiefer in das Herz des Budō
einzudringen und dich Bunbu, der Feder und dem Schwert, zu widmen."
Das vielleicht am häufigsten von Hatsumi-sensei zitierte Haiku stammt von Basho, dem berühmten japanischen Dichter des Mittelalters, von dem man sagt, er sei ein
Ninja gewesen:
Sommergras
ist alles, was bleibt
von den Träumen eines Kriegers
Das Haiku lebt von der Pointiertheit, der Naturverbundenheit, der Bildhaftigkeit, die die Phantasie anregt, und dem Zauber, der zwischen den Zeilen bleibt. Im
japanischen Original mit seinen häufigen Homonymen und Mehrdeutigkeiten entfaltet das Haiku seine volle lyrische Kraft.
Die Ausübung einer Disziplin als Kunst ist im konfuzianisch-buddhistischen Bildungsideal der Samurai verankert. Eine Bildung, die das Wahre und das Höchste
widerspiegelt. Ein Ausdruck des Selbst und der Kräfte des Unbewussten. Ein Weg zum Satori.
Die Poesie ist vielleicht der freieste manchmal radikalste Ausdruck der Sprache. Wie das japanische Schwert, im Feuer geschmiedet, mit vielen Schichten, von hoher
Dichte und ohne Überflüssiges. Man muss gut trainiert sein, um es mit Leichtigkeit zu führen. Es erinnert mich an das Budō von Hatsumi-senei.
Ich habe einmal geschrieben:
Die Hand
die den Speer hält
ist leer
Für mich ist Bunbu Ryōdō der Versuch, Budō
und Leben, Wissen und Irrtum zu vereinen und die Anmut des Vergänglichen auszudrücken. Es spiegelt sich in der gleichen
Empfindung, wenn eine perfekte Bewegung im Taijutsu aufblitzt. Für einen Augenblick wird das Formlose sichtbar, in dem die innerste Natur des Menschen lebt.
Hayong Yun
Hannover, den 16. November 2024
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