Karyna

„Die Gegenüberstellung unserer Lebensrealität mit der im Kriegsgebiet führt einem auf erschreckende Weise vor Augen, wie irrelevant doch die Dinge sind, die uns häufig umtreiben. Während hier Kleinkriege beginnen ob der Mülltrennung oder ‚zu laut‘ spielenden Kindern, ist dort eine Baracke mit beschädigtem Dach eine Zuflucht, Familien sind auseinandergerissen und der laute Einschlag von Bomben veranlasst Kinder zum Zählen, um sich abzulenken.“

Sabrina K., 40

Gedanken zum Gedicht

Bei unseren Lesungen dachte ich die letzten beiden Male, dass Oksanas Übersetzen nicht weniger wichtig ist, als die Texte – vielleicht sogar wichtiger. Ihre Anwesenheit gibt dem Friedensprojekt Aktualität und Unmittelbarkeit. Sie weinte. Gleichzeitig blieb sie gefasst und berichtete sachlich über die Lage in der Ukraine und die Arbeit des Ukrainischen Verein Niedersachsen e. V. Ich erinnere mich wie sie erzählte, dass sie um ihre Familie in der Ukraine bange. Die Friedhöfe in der Ukraine seien voller blaugelber Fahnen. Eine Fahne für jeden Gefallenen. Der Anblick habe sie erschüttert. Gleichzeitig sei der Verteidigungswille der ukrainischen Bevölkerung ungebrochen. Sehr erfreulich sei die Verleihung des deutschen Verdienstkreuzes am Bande durch den Bundespräsidenten Steinmeier im Schloss Bellevue im letzten Jahr; für ihren inzwischen zweijährigen ehrenamtlichen Einsatz als Vorsitzende des Vereins für Menschen auf der Flucht, denen der Verein „ein bisschen Zuhause“ geben konnte.

 

Karyna ist das dritte von fünf Gedichten für den Frieden, das anlässlich des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine entstand. Es war ein Beitrag für Lyrikwettbewerbes „Auf der Flucht“ der Gruppe 48 e. V. im Herbst 2022. Das Gedicht ist Teil der Benefizreihe Wider Krieg - Lieder & Gedichte, das im Café KAFFka, im Keller III und im Luthersaal der Lutherkirche stattfand. Übersetzt wurde es vom Ukrainischen Verein Niedersachsen e. V. Oksana Janzen, Bundesverdienstkreuzträgerin 2023, las die ukrainischen Texte auf den Veranstaltungen. Das Projekt im Keller III wurde von der Landeshauptstadt Hannover Kulturbüro gefördert.

 

Das Gedicht ist auch erhältlich unter: https://www.eiryu.de/shop/wider-krieg/

Der Erlös kommt dem Ukrainischen Verein Niedersachsen e. V. zu Gute.

Eiryu unterstützt das Friedensprojekt und folgt keinen kommerziellen, politischen oder institutionellen Interessen.

Karyna

 

Oma sagt: Frieden beginnt im Herzen
Wir werden nicht verlieren
und gehen zurück, mein Schatz

 

Als die Bombe auf unser Haus fiel,
musste ich zu ihr
Illya, unser Haustiger, bekam Haarausfall
Er kam nicht zurück

 

Vater arbeitet in seiner Kanzlei
Mein Bruder zählt, wenn‘s knallt
Sie durften nicht mit
Mutter wollte sie nicht allein lassen

 

Dann kamen wir her
zu einer Familie mit großem Haus
Wir sind leise und trennen den Müll

 

Meine beste Freundin ist dageblieben
Sie fanden Zuflucht in einer Baracke
Durchs Dach konnte sie den Himmel sehen

 

In der Stadt hat sie eine neue Freundin gefunden
Ihr Dorf ist für sie gestorben, sagt sie
und: Gott töte ihn

 

Oma singt: „...Mmmm, der, dessen Schimmel dort steht
mit grauer Mähne
Er möchte das nette Mädchen...“

 

Wir backen Entenpfötchen zum Verschenken
Ich denke: Katzen legen manchmal weite Strecken zurück,
um heimzukehren

Каріна

 

Каже бабуся, що мир починається в серці.
„Ми не програємо
І обов’язково повернемося, золотце.“

 

Як бомба на наш будинок впала,
Я відразу до бабусі пішла.
Ілля, наш кіт, втратив хутро
Й більше до нас не вернувся.

 

Тато працює в канцелярії,
А брат рахує вибухи.
Їм з нами не можна,
а мама їх лишать не схотіла.

 

Потім ми сюди приїхали,
до родини з великим будинком.
Ми поводимося тихо, сміття сортуємо.

 

А моя краща подруга залишилася,
Знайшла притулок в бараці,
де через дах небо проглядається.

 

Вона знайшла у місті нову подругу,
Каже полягло все село за неї
і «Господь, вбив їх».

 

Бабуся співає: «Мммм, чий білий кінь
з сірою гривою стоїть.
З дівчиною файною...»

 

На подарунок печемо качині лапки
А я думаю, що кішки іноді білі сліди залишають,
щоб додому повернутися.


Lesung: 26.11.2023, Keller III

Zeichnung: Alexander Hans Köhler

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